Der dritte Band, der erste den ich lesen konnte, des Magazins “Literarische Diverse” behandelt das Thema Widerstand. Es ist “[e]in Magazin für junge und vielfältige Literatur“, so der Untertitel und tatsächlich die Devise. Es ist erfrischend (my reading habits are very random and a lot of nonsense finds its way into my brain, aber ich schätze euch geht’s auch nicht anders) ein Stück Literatur zu lesen, welches bewusst anti-rassistisch ist und BIPoC und LGBTIQ+ Stimmen ohne Hintergedanken einen Raum gibt.
Ihr könnt es euch hier holen.
(Solltet ihr wirklich tun – not sponsored, bin nur sehr begeistert.)
Doch zurück zum Thema: Widerstand.
Widerstand kann die unterschiedlichsten Formen annehmen. Und manche Menschen leben ihn jeden Tag – ob sie wollen oder nicht. Menschen wie ich, weiße Leute, die ihr Privileg oft einfach hinnehmen und es nicht weiter überdenken, machen anderen Leuten ihr Leben unnötig schwer. Das Magazin hat wunderschön ehrliche Einblicke in die kämpferischen Seelen der marginalisierten Welt eröffnet.
Und auch in mir weiter das Feuer gestärkt diese Stimmen zu unterstützen. Ich wünsche mir oft, ich könnte den Menschen, die unsichtbar sind, mehr Sichtbarkeit verschaffen. Oft gelingt es mir (meist in kleinen Momenten zum Beispiel in dem ich in Diskussionen auf der Arbeit Leute, die noch gar nicht zu Wort gekommen sind, nach ihrer Meinung frage, oder die, die Unterbrochen worden sind, nochmal bewusst auffordere ihre Gedanken bis zum Schluss zu teilen – wieso machst du das nicht auch mal?), manchmal bin ich allerdings selbst zu laut und egoistisch – versuche mich gegen die Männer im Raum durchzusetzen und vergesse dann die neben mir.
Ich befinde mich oft im Balanceakt zwischen ich will die Bühne für mich einnehmen und ich will die Bühne anderen geben. Es ist meist okay den anderen die Show zu überlassen, denn an guten Tagen trau ich mich auch selbst laut zu sein, Platz einzunehmen, selbstsicher aufzutreten und komme dadurch doch oft dazu meine Meinung zu sagen. Wobei ich mich bei letzterem oft schrecklich schlecht fühle, vor allem wenn dadurch jemand anderes nicht zu Wort kommen kann, der vielleicht auch etwas wichtiges zu sagen hat. Doch da stellt sich mir oft die Frage: aber zählt meine Stimme nicht auch? Ich bin eine nicht-binäre Frau mit “ungewöhnlichen” Vorstellungen von Liebe, aufgewachsen in einer Spätaussiedler-Familie, der ihr Leben lang die Worte fehlten, die täglich dafür kämpft die richtigen Worte zu finden, damit sie niemand mehr missversteht. Und trotzdem fühl ich mich schlecht zu viel Platz einzunehmen. (Oder vielleicht auch genau deswegen.)
Wieso nehmen sich nicht auch mal die weißen cis-Männer im Raum zurück? Warum muss ich mich, die ihr Recht auf eine Stimme im Kreis erkämpft hat, sich zurücknehmen? Warum lassen die Dudes nicht öfter allen die Bühne? Fühlen sie sich nicht schlecht so ganz allein im Rampenlicht? Wieso kommen sie sich so verdammt wichtig vor? Es wäre schön sich die Nebenrolle nicht auch noch teilen zu müssen. Für mich heißt Raum einnehmen und diesen dann teilen (!) Widerstand.
Passenderweise ist heute, der Tag an dem ich diesen Blogpost verfasse, der Feministische Kampftag. Widerstand zeigen. Frauen und FLINTA+ haben das selbe Recht wie weiße cis-Männer. Eine Schande, dass unsere Gesellschaft immer noch in ihren alten Strukturen festhängt, dass Freiheit für viele noch immer ein nur ferner Hoffnungsschimmer ist. Was hast du heute getan um jemanden Leisen eine laute Stimme zu verleihen?
Ich verleihe mir hier selbst eine Stimme. Ich fürchte mich jedes Mal, wenn ich meine Gedanken in die Welt rausposaune. Ich habe Angst vor den möglichen Konsequenzen, vor dem Hass und der Ablehnung, die mich treffen könnten. Allerdings gehöre ich zu denen, die objektiv betrachtet eh relativ sicher sind, einfach weil meine Andersheit oft mit positiven Sachen assoziiert wird und als “sexy” durchgeht. (Mal davon abgesehen, dass das auf seine eigene Weise problematisch ist, aber dazu vielleicht ein anderes mal, idk.)
Ich freu mich auf jeden Fall schon das Magazin in meiner Stadt in die freie Wildbahn zu entlassen. Auf dass mehr Leute von ihm erfahren und die gedruckten Inhalte lesen, sich damit verbinden und sich davon beeinflussen lassen, daran wachsen oder einen Moment inneren Frieden finden, wenn sie sich selbst auf den Seiten wiederfinden – so wie ich es konnte.
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